So wie hier dargestellt, stellt man sich heute vor, wie die Flagge des Seldschukenreichs auszusehen gehabt hätte: ein Adler mit zwei Köpfen mit einem gespannten Bogen davor auf blauem oder gar hellblauem Tuch. Der doppelköpfige Adler ist tatsächlich überliefert, aber wahrscheinlich war er nur das Symbol der Seldschukischen Dynastie. Wahrscheinlich wurde der Adler zuerst von Kayqubad verwendet, geht aber sicherlich auf seinen Vater Kaykhusraw zurück der halb Byzantinischer Abstammung war, was den Übergang des Symbols des Doppeladlers von Byzanz auf die Seldschuken gut nachvollziehen lässt. Allerdings wurde der Adler noch nicht mal auf Münzen dargestellt, spielte also in der Realität keine Rolle. Alles andere an dieser Flagge ist reine Spekulation, angefangen beim Bogen: Die Seldschukischen Bogenschützen waren zwar auf Grund ihrer Beweglichkeit und Treffsicherheit berühmt und berüchtigt und sie legten den Grundstein für die Macht des Reiches, aber eine Darstellung des Bogens auf Flaggen ist nicht bekannt. Das setzt sich fort in der Farbe Blau, die als Farbe der türkischen und mongolischen Völker gilt und so heute in einigen Flaggen auftaucht, etwa Mongolei oder Kasachstan. Noch extremer wird es dann mit Hellblau, einer Farbe in der jeder stolze Türke die Farbe der Mäntel der Garde des türkischen Präsidenten Erdogan wiedererkennen muss. In Wirklichkeit sind keine Flaggen für die Seldschuken überliefert, so wie wir sie heute kennen. Es gab Banner, die waren allerdings einfarbig schwarz und manchmal mit Symbolen belegt.
Die Seldschuken waren kein Volk, sondern eine Dynastie. Sie geht auf Seldschük zurück. Er war der Häuptling des türkischen Stammes der Oghusen, der um das Jahr 1000 herum mit seinem Stamm aus der Gegend von Dschend kommend (im heutigen Kasachstan östlich des Aralsees gelegen) die Stadt Buchara (im heutigen Usbekistan) eroberte, und zum Islam konvertierte. Schon weniger Jahre beherrschten er und seine Nachfolger ein großes Gebiet um die Stadt. Im Jahre 1037 verließen die Seldschuken Buchara und zogen nach Khorasan (eine Landschaft im Nordosten des heutigen Iran), welches sie vollständig eroberten. Unter Togril-Beg wurde im Jahre 1040 der gesamte Iran erobert, zwischen 1045 und 1048 Mesopotamien (Irak und Syrien), 1055 Bagdad. Alp Arslan, der Nachfolger von Togril-Beg, eroberte 1070 bis 1071 Jerusalem und Teile des Byzantinischen Reiches (Anatolien). Die Eroberung von Jerusalem war besonders verhängnisvoll, denn dadurch wurden die bisher dort herrschenden islamischen Fatimiden vertrieben, und die heiligen Stätten in Jerusalem wurden für Christen gesperrt. Die Antwort auf diese Politik waren die christlichen Kreuzzüge, die für einen freien Zugang zu den heiligen Stätten geführt wurden. Um 1150 zerfiel das Reich der Seldschuken in mehrere Staaten, im heutigen Syrien bis 1174, im Nordwesten des heutigen Iran bis 1194. In Anatolien wurden die Rum-Seldschuken 1243 von den Mongolen abhängig und regierten noch bis 1308.